Longasura ist Langsur
2003/2012 - "Die Hexenverfolgung" in Langsur brachte mindestens drei Frauen auf den Scheiterhaufen
20.06.2012 13:46Text und Recherche aus verschiedenen Quellen (u.a. von "van Werveke")
von Erwin Weber, Langsur (ⓒ 2003)
(aufbereitet von Michael Reichling, 2012)
Eine besonders grausame Zeit in der Geschichte unserer Dörfer - so auch in Langsur - war die Hexenverfolgung im späten 16. Jahrhundert. In seinem aufschlussreichen Werk „Die Kulturgeschichte des Luxemburger Landes“ schreibt der luxemburgische Historiker Nicolas van Werveke (1851-1926): „Bei Kriminalprozessen (und hierzu gehörten die Hexenprozesse) war es Sitte, dass die Meyer und Schöffen nicht nur nach jeder Sitzung, sondern auch während der Folterung des Angeklagten, auf Kosten dieses Unglücklichen, sei es in einem Nebenraum oder im Wirtshaus, zechten und prassten was das Zeug hielt.“ Die Folterknechte waren vielfach Säufer und beim Henker fand man es natürlich, dass er sich Mut antrank. Die Notare, Schreiber, Wirte und Henker bereicherten sich am Erbe der auf dem Scheiterhaufen Hingerichteten.
Dass die Auszüge über die offensichtlichen Rechtsmissbräuche in den Verfahren gegen die der Zauberei Angeklagten keineswegs übertrieben sind, beweisen u.a. die Aktenstücke: „Verzeichnis etlicher Unkosten wegen einiger der Zauberei halber zu Langsur hingerichteter Personen, 1574“.
Aus diesen vergilbten Blättern geht hervor, dass in den Jahren 1574 bis 1587 drei der Hexerei angeklagte Frauen aus Langsur nach dem damals üblichen Verfahren – Folter, Geständnis, Scheiterhaufen – den Tod in den Flammen fanden, nämlich: Brictien Maria, Barbell Michaell und Krethen Apollonia.
Jacob Truchsess von der Scheer zu Waldsee ließ am 10. Juni 1587 einundzwanzig Hexen, am 11. Juni neun und tags darauf nochmals acht Hexen in "einem Brand" hinrichten.
Abbildung aus der Wickiana (Sammlung des Johann Jakob Wick, Zentralbibliothek Zürich) |
Die Langsurer Meyer, Schöffen, Gerichtsboten und auch der amtierende Scharfrichter haben es nicht anders gemacht, wie es in jener Zeit überall Brauch war. Auf Kosten der Unglücklichen veranstalteten sie Gelage und verprassten das Vermögen der eben Hingerichteten. Den verarmten Hinterbliebenen aber brachte man Verachtung entgegen.
Aus Anlass der erwähnten Verfahren gegen die Langsurer Frauen legen nicht weniger als drei Wirte aus der Umgebung Rechnungen vor, aus denen zu ersehen ist, in welchem Umfang die Richter und Konsorten auf Kosten der Unglücklichen gezecht haben.
Hier ist die von dem Mesenicher Wirt Claßen präsentierte Rechnung in Höhe von 276 Gulden, datiert in 1587. Sie besagt u.a., dass der Langsurer Ausschuss, „als sie Brictien Mari gefangen“ für 4 Gulden bei dem Wirt „vertan“. Hier einige Posten dieser Aufstellung: „Der Kirchen Lambert ein Maß Wein genommen und bei den Galgen getragen, tut 4 Steuber. Item demnach hat der Scharfrichter vertan einen halben Sester Wein. Item noch der Scharfrichter zum Abschied vertan, tut 7 Gulden. Item der Ausschuss Wein und Brot und andre victualia in den Hof genommen von Mesenich, tut zusamen nach dem Kerb 105 Gulden." Und als Nachtrag: „Item für den Scharfrichter samt Boten und Knechten geben 30 Taler und 9 Steuber“.
Die zweite Rechnung aus Anlasse der genannten Prozesse legte der Wirt Mathias Schmidt aus Wasserbillig vor. Da hat bei ihm an einem Tag „Das Langsurer Gericht mit Anhang vertan für 14 Gulden, 8 Steuber. Item noch der Schultheis Lorenz Streichar und der Notar Thiesen zu Nachtessen 4 Gulden. Item noch des Mittwochs zum Morgen der Schultheis vertan mit seinem Anhang für 9 Gulden, 6 Steuber. Item noch des Hofmanns Knecht Stoffel für den Herrn Schultheis in den Hof geholt 6 Maß Wein, tut 24 Steuber. Item hat der Herr Schultheis, als er von Trier kommen, noch geholt sechs Maß Wein, tut 7 Steuber. Item noch am Abend geholt 5 Maßen, tut 20 Steuber. Item noch am Abend geholt fünf Maßen Wein, tut 20 Steuber. Item, als der Herr Schultheis des Brixius Güter durch das Gericht hat schatzen lassen, vertan 5 Gulden“ usw.!
Eine vom 4. August 1587 datierte Rechnung im Zusammenhang mit diesen Prozessen stammt schließlich von dem Wirt Pütz Meyer aus „Egell“, also aus dem heutigen Igel. „Zum ersten“, so leitet der Igeler Wirt seine Kostenaufstellung ein, „hat der Herr Schultheis von St. Matheis, weil der Ausschuss seiner begehrt haben, sich nach Laser (heute Langsur, d.R.) begeben, um die weiffer zu fenken, hat vertan samt seinen Dienern 10 Gulden. Item auf den zehnten Tag im Julius 1587 ist hierher kommen Laurentz, zur Zeit Vice-Schultheis zu Sanct Matheis und Jost, der Herr Secretary des Freitags auf Laser kommen und des Sonntags hier abgefahren im Beisein des Peter Paltzell von Waßer Lursch (heute Wasserliesch, d.R.) und des Pütz Theis zu Egell. Mit dem Schiffmann zu Egell, der sie geführt und Massems Bernard zu Laser haben sie verzehrt für 10 Gulden, 6 Steuber. Item den 16. Tag im Julius sind Lorenz Streichard und Jost, der Secretary wiederumb von Laser herab kommen, wobei Peter Paltzer von Waaserlursch und Lampart zu Laser sie nach Trier geführt haben, vertan für 4 Gulden und 2 Steuber. Item den 20. Tag im Juli, ist Jost, der Secretary hierher kommen, als er zu Luxemburg gewesen, bei ihm gewesen Peter Paltzel und der alte Clemens zu Laser und Michaell Thonis, haben damals vertan für 6 Gulden. Item auf den 23. Juli sind Lorenz Streichard und Jost, der Secretari von Trier nach Egell kommen und haben hier zu Nacht gegessen. Und den andern Tag sind von Laser her kommen und hier zu Nacht gegessen der Herr Schulteho und Jost, Peter Paltzell, Pütz Theis, Kirchen Lampricht, und den dritten Tag des Samstags, als der Secretari die Schriften fertig gemacht habe wegen der Zauberschen, die Unkosten zusammengerechnet tut 18 Gulden und 3 Steuber. Item auf den 26. Juli ist dahier kommen Laurenz Streichart, Vice-Schultheis zu St. Matheis und der Secretari und der Schiffmann, der sie von Trier bis nach Egell geführt hat, haben des abends und morgens verzehrt 9 Gulden. Item auf den 27. Juli hat der Herr Schultheis von Laser den Kirchen Lambert und den Lawer Thonis von Laser nach Egell geschickt und hat holen lassen neun und einen halben Sester Wein und vierzehn Pfondt Fleich und für fünfzehn albus Brot, tut 17 Gulden, 5 Steuber. Item auf den 21. August, als sie die Hexen auf dem hohen Gericht zu Laser verbrandt haben, allhier her kommen, der Richter zu Machern und die Gerichtsleute am Hof zu Laser, und die Beichtväter, zusammengerechnet, von des Tages Aufgang 29 Taler. Solches hab ich gerechnet mit dem Herrn Schultheis und Peter Paltzell und dem Boten von Laser. Tut die Summa von 50 Taler.
Es folgt ein weiteres Verzeichnis „der unkosten, was in mense Juny dieser Sachen halber aufgang“. Sie umfaßt 21 Posten: „tut zusammen 600 Gulden und 9 Steuber“.
Augenscheinlich sind in Langsur aber mehr als drei Frauen hingerichtet worden, denn bereits im Jahre 1572 kommt es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Luxemburg und der Abtei St. Mathias. Die Richter zu Machern sollen bei den Prozessen in Langsur Mitspracherecht haben, wird in einem Schriftstück erwähnt, „belangend die durch den Scharfrichter mit dem Feuer hingerichtete Frauen“ in Langsur.
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