Longasura ist Langsur


1493/1990/2012 - Mehr als 500 Jahre mit Schlagton "as": Die Glocken von Langsur!

06.10.2012 15:46

Text und Recherche aus verschiedenen Quellen: Erwin Weber, Langsur (1990),
aufbereitet von Michael Reichling, 2012

 

Die „Marienglocke“ wird fünfhundertzwanzig Jahre alt

 

Über ein halbes Jahrtausend ruft nun unsere sympathisch klingende, der heiligen Maria geweihte Glocke, die Langsurer zu allen freudigen und traurigen Ereignissen zusammen. Dieses hohe Alter, in dem noch hervorragenden derzeitigen Zustand zu erreichen, war nur wenigen Glocken vergönnt. Sie gehört zu den ältesten noch ihren Dienst verrichtenden Glocken in unserem Lande. Als Christoph Kolumbus von seiner ersten Fahrt nach Nordamerika zurück kam, wurde die Glocke gegossen. Seine Reise begann er am 03.08.1492, entdeckte am 12.10.1492 indianisch Guanahani (Watlinginsel), eine der Bahama-Inseln, San Salvador“ genannt. Am 27.10.1492 landete er auf Kuba und am 06.12.1493 spürte er Haiti auf. In diesem Jahre hat der Glockengießer Clas von Echternach die Langsurer Glocke geformt und gegossen und auf den Schlagton „as“ gestimmt. Mitgeformt und gegossen wurden folgende Worte und Zahlen:

 

MARIA HEISSEN ICH. DIE BOIS WEDDER

VERTRIEVEN ICH. CLAS VON ECHTERNACH

GIES MICH MCCCCLXXXX III


 

Die "Marienglocke" am 30.09.2012

Clas von Echternach war ein Meister seiner Zeit und hat viele bis dahin vorwiegend von Benediktinermönchen geformte Glocken geschaffen. Er hat manches verbessert, aber im Wesentlichen auf der Erfahrung der Benediktinermönche, die schon im 5. Jahrhundert Glocken in Bronze gegossen haben, aufgebaut. Das Läuten  der Glocken waren Signale, die jeder verstand und die für die Dorfgemeinschaft unentbehrlich waren. Bei Brand, Blitzschlag und Unwetter riefen die Glocken die Dorfgemeinschaft zur tätigen Hilfe auf. Heute hat die Sirene der Feuerwehr diese Funktion übernommen. Im hiesigen Weinbaugebiet wurde bis ins letzte Jahrhundert die Glocke geläutet zum Beginn der Traubenlese (Weintraubenernte) als "das Auftuen des Bannes". Aber auch den morgendlichen Beginn der Traubenlese und die Beendigung am späten Nachmittag verkündete die Glocke. Läutete zur Lesezeit bei schlechtem Wetter die Glocke, so musste jeder die Heimfahrt antreten. Keiner durfte im Wingert (Weinberg) bleiben. Mancherorts hat auch die Glocke im Weinherbst zur Abgabe des Zehnten gerufen. So erwähnen Weistümer (historische, protokollierte, meist aber mündlich überlieferte Rechtsquellen) von Niederemmel und Piesport an der Mittelmosel die Ankündigung der Jahrgedinge durch dreimaliges Glockenläuten. Jeder wusste dann, dass er zum Gericht erscheinen musste. Diese Jahrgedinge wurden auch in Langsur abgehalten, im ehemaligen Hofgut der Abtei St. Matthias (heute Anwesen Meuer, davor Anwesen Müller, oft als "Alte Probstei" bezeichnet), und zwar am Samstag nach dem Dreikönigstag (6. Januar), am zweiten Samstag nach Ostern (Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond) und am zweiten Samstag nach Johannistag (24. Juni), also drei Mal im Jahr (Langsurer Weistum von 1563). 

 

Eine der hervorragenden Glocken ist die 1475 geschaffene Glocke der mittelalterlichen Marktkirche St. Gangolf in Trier. Sie ist auch heute noch im Dienst und wurde im 15. Jahrhundert anlässlich einer Polizeiverordnung der Stadt Trier "die Lumpenglocke" genannt. Diese Polizeiverordnung wies die "Gasthalter, Weinzapfer und Wirte" an, beim ersten Glockenton "niemand in ihren Herbergen (zu) halten, Wein oder Zehrung" zu geben, sondern sie "Heim zu weisen"; so der Beschluss der sittenstrengen Ratsherren. Sie läutete auch den Marktbeginn und den Marktschluss ein. Diese Glocke, 1475 gegossen, trägt den Namen Clais von Enen! Clais oder Clas von Echternach und Clais von Enen werden von Kirchenhistorikern für die gleiche Person und zwar für Clais oder Clas von Echternach gehalten!

 

Eine weitere Langsurer Glocke wird 1712 erwähnt. Da die "Marienglocke" seit 1493 im Glockenturm hängt, muss also damit eine zweite, in der Kirche hängende Glocke, gemeint sein. Über die Herkunft ist nichts bekannt. 1844 wurde eine Glocke mit dem Schlagton „b“ angeschafft. Sie war nicht mit Schriften versehen und wurde von der Glockengießerei Ganlard in Trier gegossen. Am 20.07.1917 musste diese Glocke für Kriegszwecke abgeliefert werden. Am 21.03.1920 konnte dann wieder eine neue Glocke beschafft und eingeweiht werden. Gegossen wurde sie von der Glockengießerei Mabilon und Co. In Saarburg. 

Sie war auf den Ton „h“ gestimmt. Mit gegossen war das Bild der Friedenskönigin und 150 Buchstaben in Latein. In Deutsch übersetzt lauten sie:

 

„Die Glocke, die vor mir schon hier ertönte, ward umgewandelt

in eine Kriegswaffe! O, Himmelkönigin, sei uns gewogen! Immer

Schützling rufe ich Dir, Mächtiger, ernstlich zu: ‚Befrei’ uns von

Pest, Hunger und Krieg.“

 

Pate der Gloke war John Weber, Patin Elisabeth Sturm. Pfarrer Kerscht hatte sich mit den Langsurer Bürgern für diese Neuanschaffung nach dem ersten Weltkrieg stark gemacht und auch durchgesetzt.

 

Am 22.10.1942, 22 Jahre später, wurde die Glocke von 1920, wie ihre Vorgängerin im Jahre 1917, vom Turm geholt und als Metallabgabe für den Krieg verwendet. Schließlich wurde wieder 1949 eine neue Glocke angeschafft. Sie wurde auch bei Mabilon in Saarburg gegossen mit der Inschrift: 

 

„Schützt Leut und Land – den Hirten und die Herde

Katharina und Matthias“

 

Die "Katharina-und-Matthias-Glocke" am 30.09.2012

Eingeweiht wurde die Glocke am Palmsonntag, den 10.04.1949. Pate war Eduard Koster und Patin war Maria Herresthal-Fisch. Das neue Tonbild passte sich dem alten großartig an. Hier war es vorwiegend dem damaligen Pfarrer Dupont zu verdanken, dass die alte Marienglocke wieder eine Mitruferin bekam.

 

Mögen also heute die "Marienglocke" von 1493 und die "Katharina-und-Matthias-Glocke" von 1949 diejenigen Glocken sein, die mit ihrem für uns herrlichen Klang ihren christlichen und kulturellen Auftrag noch sehr lange erfüllen können. Die Ältere der beiden erfreut die Menschen schon 519 Jahre. 

 

Fotos: Michael Reichling, ⓒ 2012

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